Gewerbetreibender oder Freiberufler?
Wer ist ein Freiberufler?
Die Frage nach dem Status, den ein Selbständiger in der IT hat, beschäftigt uns seit es die IT gibt.
Warum stellt sich für viele Selbständige in der IT die Frage, ob sie Gewerbetreibender oder Freiberufler sind? – Der Gewerbetreibende ist zur Mitgliedschaft bei der IHK verpflichtet und muss Gewerbesteuer abführen. Ein Freiberufler hingegen nicht.
Warum wird der eine IT-Selbständige als Freiberufler, der andere jedoch als Gewerbetreibender eingestuft, wenn beide vergleichbare Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit mitbringen und sogar eine vergleichbare Tätigkeit ausüben…?
Beispiel für eine Personengesellschaft mit einem Gewinn von 50.000 Euro
Abgaben an die Industrie- und Handelskammer (IHK)
- In Berlin fielen ca. 80,- Euro Grundbeitrag zzgl. 72,79 Euro Umlage an.
- In Nordrhein-Westfalen wären es 70,- Euro Grundbeitrag zzgl. 34,66 Euro Umlage.
Gewerbesteuer
- Zossen Stadt (Brandenburg): Hebesatz 200%. Daraus ergibt sich die zu leistende Gewerbesteuer in Höhe von ca. 2.408,- Euro.
- Dierfeld (Rheinland-Pfalz): Hebesatz 900%. Hier beträgt die Gewerbesteuer hingegen ca. 8.028,- Euro, wobei gemäß §35 EStG lediglich 3.390,- Euro mindernd auf die tarifliche Einkommensteuer angerechnet werden.
Diese Aufwände fallen bei einem Freiberufler nicht an!
Die Bundesregierung zur “Lage der freien Berufe”
In einem Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe aus dem Jahre 2013 heißt es dazu:
[…] 2.2 Das Berufsbild der Freien Berufe
Das Berufsbild der Freien Berufe ist nicht statisch, sondern entwickelt sich kontinuierlich fort. Die Freien Berufe sind gekennzeichnet durch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, aus der immer wieder neue Berufe und Berufsbilder entstehen. Zwar enthalten das Einkommensteuergesetz und das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Ansätze für eine steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Einordnung bestimmter Berufe als Freier Beruf.
Eine abschließende und umfassende Legaldefinition der freiberuflichen Tätigkeit ist aber aufgrund der Vielzahl von heterogenen Berufen und beruflichen Ausprägungen sowie des laufenden Wandels und der Entstehung neuer Berufe kaum möglich. Hinsichtlich der Katalogberufe, der diesen ähnlichen Berufe und der sog. Tätigkeitsberufe nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG ist daher in der Regel eine Einzelfallprüfung durch die zuständige Finanzbehörde erforderlich. Darüber hinaus kann die steuerrechtliche Einordnung eines Berufs als Freier Beruf von der gewerberechtlichen Einordnung entsprechend der Zielsetzung des jeweiligen Rechtsbereichs abweichen. […]
EStG § 18 Selbständige Arbeit ( Frotscher/Geurts – Kommentare zum Einkommensteuergesetz)
§ 18 EStG enthält keine Definition des Begriffs der selbstständigen Arbeit, sondern lediglich eine nicht abschließende Aufzählung der unter diese Einkunftsart fallenden Tätigkeiten. An diese Aufzählung hält sich auch die Rechtssprechung, die in der selbstständigen Arbeit keinen Typusbegriff sieht. Selbstständige Arbeit setzt nach allgemeiner Meinung voraus, dass zunächst die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt sind. Voraussetzung ist also auch hier, dass eine unabhängige, nachhaltige Betätigung vorliegt, mit der sich der Steuerpflichtige am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und die er mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.
Charakteristisch für die selbstständig ausgeübte Tätigkeit ist, dass die persönliche Arbeitsleistung in Gestalt der geistigen Leistung und des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft in den Vordergrund tritt und bestimmend ist. Eine (häufig akademische) Ausbildung, eigenes Können des Berufsträgers und persönliche Freiheit bilden die beherrschenden Momente seiner Tätigkeit.
Ganz ähnlich stellt der EuGH in seiner Definition der Freien Berufe auf den “intellektuellen Charakter” der Tätigkeit, die hohe Qualifikation, eine genaue und strenge berufsständische Regelung sowie das persönliche Element bei der Berufsausübung ab. Demgegenüber tritt der Einsatz von Kapital und fremder Arbeitskraft prinzipiell in den Hintergrund.
Das BVerfG ist bisher von seiner Linie, wonach die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit durch den Gesetzgeber gerechtfertigt sei, nicht abgewichen. Es hat zur Vorzugsstellung der freien Berufe auf den “Charakter der Berufstätigkeit” und die “Stellung und Bedeutung der freien Berufe im Sozialgefüge” ebenso hingewiesen wie auf die zum Erwerb der hohen Qualifikation längere Ausbildungszeit der Selbstständigen.
Hinweise auf freiberufliche Tätigkeit
Es gibt keine 100%-ige Definition des Freiberuflers, sondern lediglich eine Erwerbsgruppe, welche sich aus Katalog-, katalogähnlichen und Tätigkeitsberufen definiert. Die Leistungen in der IT sind nicht Gegenstand der Katalog- und/oder Tätigkeitsberufe. Daher bleiben nur die katalogähnlichen Berufe dessen Profil sie weitgehend entsprechen müssten.
Hier einige Kriterien, die auf eine freiberufliche Tätigkeit hinweisen können:
- Der persönliche Arbeitseinsatz spielt gegenüber dem Einsatz von Kapital eine besondere Rolle
- Es liegt ein akademischer Abschluss oder eine höhere Bildung vor
- Der kreative Anteil bei der Arbeit ist sehr hoch
- Hochwertige Zusatzausbildungen wurden absolviert, die für die Arbeit notwendig sind
- Freiberufler ist, wer in seinem eigenen Unternehmen allein inhaltlich arbeitet, während andere Mitarbeiter als Aushilfen oder “Zuarbeiter” tätig sind
- Die Verdienstquelle besteht aus Wissen und Erfahrung auf hohem Niveau
- Die Tätigkeit liegt im Bereich von Beratung, Coaching, Lehre oder Unterricht
- Es besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Kunden
- Die Dienstleistung und der persönliche Einsatz stehen im Vordergrund
- Die Bezahlung besteht aus Honoraren
- Das Know-how der Tätigkeit hat das Niveau eines in den Katalogberufen genannten Akademikers
Diese Aufzählung erhebt weder Anspruch auf Vollzähligkeit noch ist es sicher, dass das jeweilige Finanzamt die genannten Kriterien anerkennt. Sie dient lediglich zur Orientierung.
Keine förmliche Anerkennung
Für die Tätigkeitsbeschreibung bleibt daher die Anlehnung an einem der Katalogberufe. Selbstverständlich sollten dabei nicht auf einen Beruf Bezug genommen werden, der eine Zulassung voraussetzt (Rechtsanwalt, Arzt, usw).
Das Finanzamt wird nur dann eine Prüfung einleiten, wenn im Rahmen einer Aussenprüfung oder durch konkrete Anfrage, Zweifel an der Freiberuflichkeit entstehen. Eine Statusfeststellung durch das Finanzamt sollte daher frühzeitig überlegt werden.
Es gibt keine förmliche Anerkennung der Freiberuflichkeit durch die Finanzbehörden! Als Bestätigungen können gewertet werden:
- Aufhebung bereits erlassener Gewerbesteuerbescheide
- Mitteilung, dass dem Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid stattgegeben worden ist
- Mitteilung, dass die Einnahmen als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit eingestuft werden
- Änderung des Einkommensteuerbescheides in Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit
- kein Erlass neuer Gewerbesteuerbescheide
Wichtig
Bei einer “Behandlung” als Freiberuflicher und damit nicht als Gewerbesteuerpflichtiger durch das Finanzamt ohne eingehendere Prüfung, können unter Umständen Gewerbesteuerrückforderungen für einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren zuzüglich einer jährlichen Verzinsung von 6% folgen.
Es ist daher zu empfehlen, grundsätzlich Dokumentationen zu den ausgeführten Arbeiten aufzubewahren. Diese können die Argumentation hinsichtlich Tätigkeit, Rolle und (wissenschaftlichen) Ergebnissen unterstützen. Zudem ist das Anlegen von Rücklagen im Sinne des Risikomanagements ggf. zu empfehlen.
Fazit
Einen Königsweg zur Erlangung des Freiberuflerstatus gibt es für Selbständige in der IT nicht. In einer Tätigkeitsbeschreibung sollte daher jeder Satz reiflich überlegt sein. Eine plausible und begründete Argumentation, ein roter Faden und eine sauber gegliederte Darstellung sind immer hilfreich. Auch beim Finanzamt sitzt ein Mensch der überzeugt werden möchte.
Bundesministerium f. Wirtschaft u. Technologie (BMWi)
Lage der Freien Berufe
Lage der freien Berufe – PDF-Download
Statistisches Bundesamt
Hebesätze der Realsteuern
Hebesätze der Realsteuern – Ausgabe 2018 auf destatis.de
§18 Einkommensteuergesetz