Thema: Selbständig als IT-Freelancer, IT-Freiberufler oder kleine IT-GmbH. Unter dieser Hauptkategorie versammeln wir die für selbständige IT-Profis wichtigsten Aspekte der Selbständigkeit. Konkret sind das politische Rahmenbedingungen, insbesondere Scheinselbständigkeit und Altersvorsorge. Die Altersvorsorge wird überwiegend im Hinblick auf die gesetzliche Rentenkasse thematisiert. Eigene Altersvorsorgemodelle finden sich in der Kategorie “IT-Freelancer-Finanzen”.
1,8 Millionen Solo-Selbstständige in Deutschland stehen vor einer unsicheren Zukunft. Wer heute freiberuflich arbeitet kann morgen rückwirkend als Angestellter eingestuft werden – mit massiven Konsequenzen für Auftraggeber und Selbstständige gleichermaßen.
📢 Unsere Forderung: Die neue Regierung muss klare Kriterien schaffen, damit Solo-Selbstständige und Unternehmen auf einen Blick erkennen, wann eine echte Selbstständigkeit vorliegt!
Warum ist das wichtig? Aktuell meiden viele Unternehmen Solo-Selbstständige, da sie hohe Nachzahlungen und rechtliche Risiken fürchten. Freelancer verlieren dadurch Aufträge oder werden in die Festanstellung gedrängt – oft gegen ihren Willen.
Die Lösung: Eine klare Reform mit Positivkriterien für Selbstständigkeit! Dafür setzen wir uns ein – mit unserer Petition und unserer Briefaktion, mit der wir Bundestagsabgeordnete direkt ansprechen.
Die Koalitionsverhandlungen entscheiden über die Zukunft der Selbstständigkeit in Deutschland. Es gibt bereits parteiübergreifende Einsicht, dass sich etwas ändern muss – doch ohne unseren Druck passiert nichts!
💬 Was sagen Experten? Zahlreiche Verbände, darunter Bitkom, VGSD, DBITS und der Bundesverband für selbständige Wissensarbeit, haben konkrete Reformvorschläge entwickelt. Selbst der ehemalige BSG-Präsident Prof. Dr. Rainer Schlegel fordert klare Positivkriterien für Selbstständigkeit.
Ohne Reform droht weiterhin: ❌ Auftraggeber meiden Freelancer aus Angst vor Nachzahlungen ❌ Langjährige Kundenbeziehungen brechen weg ❌ Bürokratische Hürden verhindern eine flexible und moderne Arbeitswelt
👉 Wir brauchen eine zukunftsfähige Lösung!
Wie kannst du helfen?
✅ Unterzeichne die Petition ✅ Teile diesen Beitrag mit anderen Solo-Selbstständigen ✅ Nutze die Briefaktion und sende eine Nachricht an Politiker
📢 Gemeinsam setzen wir ein starkes Zeichen für Rechtssicherheit und unternehmerische Freiheit. Jetzt unterschreiben und weitersagen!
Einleitung Am 25. Januar erschien ein bedeutender rechtlicher Aufsatz von Rechtsanwalt Professor Dr. Rainer Schlegel und Rechtsanwältin Dr. Gabriele Kania. Sie diskutieren darin Reformvorschläge für das Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV, das für die Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entscheidend ist. Diese Reform ist für die IT-Branche besonders spannend, da sie hochdotierte Aufträge für Soloselbstständige erleichtern und langfristig das Risiko der Scheinselbstständigkeit minimieren könnte.
Interessant ist zum Beispiel die genannte Länge der durchschnittlichen Verfahrensdauer von 84 Tagen und der doppelte Schutzzweck:
Individualschutz des Einzelnen und
Schutz der Allgemeinheit vor mangelnder Eigenvorsorge des Einzelnen
Worum geht es? Das Statusfeststellungsverfahren ist ein zentrales Instrument zur Klärung der Sozialversicherungspflicht. Der Artikel setzt sich mit einer Reform auseinander, die eine widerlegbare Vermutung für Selbstständigkeit vorsieht, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dies könnte IT-Freelancern eine größere Rechtssicherheit geben und das Zustandekommen hochdotierter Aufträge erleichtern.
Wer sind die Autoren? Professor Dr. Rainer Schlegel war bis Februar 2024 Präsident des Bundessozialgerichts und ist als Rechtsanwalt in Berlin tätig. Dr. Gabriele Kania ist Rechtsanwältin im Bereich Arbeitsrecht der Kanzlei Seitz in Köln.
Warum ist das für die IT-Branche relevant? In der digitalisierten Arbeitswelt, in der agile Projektarbeit dominiert, ist die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit oft schwierig. Diese Reform könnte es IT-Freelancern ermöglichen, ihre Selbstständigkeit leichter nachzuweisen. Gerade für hochdotierte Aufträge ist dies entscheidend: Wenn Auftraggeber anhand klarer Kriterien belegen können, dass eine selbstständige Zusammenarbeit vorliegt, könnten sie Soloselbstständige leichter engagieren, ohne das Risiko einer nachträglichen Umqualifizierung.
Wie wirkt es sich auf hochqualifizierte Selbstständige aus? Die Reform sieht vor, dass eine Selbstständigkeit vermutet wird, wenn eine ausreichende Eigenvorsorge besteht. Das bedeutet: Hochqualifizierte Selbstständige mit einer stabilen Einkommenssituation und nachweisbarer Absicherung würden es leichter haben, große und langfristige Projekte anzunehmen, ohne später in eine Scheinselbstständigkeitsfalle zu geraten.
Warum sind auf einmal Positivkriterien möglich? Bisher wurde in Statusfeststellungsverfahren mit Negativkriterien gearbeitet. Die vorgeschlagene Reform setzt auf eine Positivvermutung, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Diese Neuausrichtung ist für IT-Selbstständige von Vorteil, da sie Klarheit schafft und ihnen mehr Verhandlungssicherheit bei Auftraggebern gibt.
Vermutung selbstständiger Tätigkeit durch Nachweise Laut den Vorschlägen der Autoren soll eine selbstständige Tätigkeit vermutet werden, wenn folgende Kriterien vorliegen:
Einheitliche Willensbekundung: Alle Beteiligten stimmen der Selbstständigkeit zu.
Mindestvorsorge: Der Selbstständige kann eine Absicherung gegen Krankheit, Pflege und Altersvorsorge nachweisen.
Angemessene Vergütung: Die Vergütung muss mindestens die jährliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV erreichen. Im Jahr 2025 wäre das 44.940 Euro.
Wie funktioniert es genau?
Ergänzung von § 7a SGB IV um Vermutungsregelungen für abhängige Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit
Im § 7a SGB IV sollte ein neuer Absatz 2a eingefügt werden, um eine Vermutungsregelung für abhängige Beschäftigung zu ergänzen:
§ 7a. (2a) Das Vorliegen abhängiger Beschäftigung in dem zur Prüfung gestellten Vertragsverhältnis wird widerlegbar vermutet und eine entsprechende Feststellung getroffen, wenn alle an dem zu beurteilenden Vertragsverhältnis beteiligten Personen übereinstimmend vom Vorliegen abhängiger Beschäftigung ausgehen und bei mehreren am Rechtsverhältnis beteiligten Auftraggebern ein Auftraggeber erklärt, im Hinblick auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis die Pflichten und Rechte eines Arbeitgebers zu übernehmen.
Weiterhin sollte in § 7a SGB IV ein neuer Absatz 2b eingeführt werden, um eine Vermutungsregelung für selbstständige Tätigkeit zu schaffen:
§ 7a. (2b) Das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit in dem zur Prüfung gestellten Vertragsverhältnis wird widerlegbar vermutet und eine entsprechende Feststellung getroffen, wenn alle am zu beurteilenden Vertragsverhältnis beteiligten Personen bereits bei Stellung des Antrags auf Statusfeststellung (Zeitmoment) übereinstimmend vom Vorliegen selbstständiger Tätigkeit ausgehen (Willensmoment) und kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Mindestvorsorge):
Die vereinbarte Vergütung der Dienstleistung lässt eine ausreichende Eigenvorsorge zu. Dies ist der Fall, wenn die durchschnittliche Vergütung im Kalenderjahr mindestens die jährliche Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) erreicht.
Der zur Dienstleistung Verpflichtete weist mit dem Antrag auf Statusfeststellung durch aktuelle Bescheinigungen seiner Versicherer nach, dass für ihn eine dauerhafte eigene Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflege, eine hinreichende Altersvorsorge sowie eine eigene Berufshaftpflicht- oder Schadensversicherung gegen mögliche Schadenersatzansprüche aufgrund der Dienstleistung bestehen. Von einer hinreichenden Altersvorsorge ist auszugehen, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete einen Vertrag über eine eigene private Altersvorsorge, eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer vergleichbaren anderen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung vorlegt, woraus sich ergibt, dass ab Erreichen der Regelaltersgrenze monatlich Leistungen zu erwarten sind, die mindestens 10 % über Sozialhilfe-Niveau liegen; das Nähere hierzu bestimmt das BMAS jährlich durch eine Rechtsverordnung.
Hinsichtlich des zur Prüfung gestellten Vertragsverhältnisses sind die im Statusfeststellungsverfahren getroffenen Feststellungen sowohl für die Einzugsstellen (§ 28i SGB IV) als auch für die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV bindend. Eine abweichende Beurteilung kommt nur nach Maßgabe des § 48 SGB X in Betracht, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Ergehen des Statusfeststellungsbescheids wesentlich geändert haben.
Mit einem zusätzlichen, eigenständigen Antrag sollten die Beteiligten des Statusfeststellungsverfahrens auch die Möglichkeit haben, mit der Feststellung des Erwerbsstatus die Versicherungspflicht oder -freiheit in der Sozialversicherung prüfen zu lassen („Alles aus einer Hand“).
Die Vermutungsregelung des neuen § 7a (2b) SGB IV wirkt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Statusfeststellungsverfahren, d.h., nur für die Zukunft. Der Antrag kann auch nur innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt werden. Für die Zeit davor bleibt es beim unbegrenzten Prüfungsrecht der Betriebsprüfungsbehörden, so dass der Gewinn an Rechtssicherheit durch ein „neues“ Statusfeststellungsverfahren nicht für die Vergangenheit gilt. Risiken einer Fehleinschätzung seitens der Vertragsparteien für vergangene Zeiträume werden nicht abgefedert. Ebenso wenig ist es möglich, während einer bereits begonnenen Betriebsprüfung „auf ein Statusfeststellungsverfahren umzusteigen“.
Welche sonstigen Aspekte werden angesprochen? Ein zentraler Punkt ist der einfachere Zugang zur Sozialversicherung. Selbstständige sollen bereits bei der Statusfeststellung eine Einschätzung zur Versicherungspflicht erhalten, um Unklarheiten und spätere Nachforderungen zu vermeiden.
Leichterer Zugang zur Kranken- und Sozialversicherung Mit den vorgeschlagenen Regelungen könnte eine klarere Einstufung der sozialversicherungsrechtlichen Situation erreicht werden. Wer sich selbstständig absichert und entsprechende Nachweise vorlegt, könnte leichter als Selbstständiger anerkannt werden.
Fazit Der Vorschlag von Schlegel und Kania bietet einen rechtsicheren und damit zumindest validen und neuen Ansatz zur Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Falls er umgesetzt wird, könnte dies eine Erleichterung für IT-Selbstständige bedeuten, die hochdotierte Aufträge annehmen wollen. Auftraggeber würden durch die klaren Kriterien ebenfalls profitieren, da sie Soloselbstständige mit weniger Unsicherheit engagieren könnten. Ob und wann diese Vorschläge von der Politik umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
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Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen sind durch Faktoren wie Fachkräftemangel, Bürokratie und Rechtsunsicherheit erheblich gefährdet. Besonders im IT-Bereich spielen freiberufliche Profis und Solo-Selbstständige eine entscheidende Rolle, um Deutschland technologisch agil und wettbewerbsfähig zu halten. Allerdings wird ihre Tätigkeit durch das veraltete Statusfeststellungsverfahren (SFV) der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erschwert, das zu erheblicher Bürokratie führt und die Beauftragung von Selbstständigen zunehmend verhindert.
Forderung nach Reform des Statusfeststellungsverfahrens
Wir fordern eine umfassende Reform des SFV, die der modernen Arbeitsrealität von Selbstständigen gerecht wird. Dazu gehört die Einführung einer Schnellprüfung, die bei nachgewiesener sozialer Absicherung in Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ein SFV überflüssig macht. Unternehmerisches Risiko und die Freiwilligkeit der selbstständigen Tätigkeit müssen dabei angemessen berücksichtigt werden.
Vorschläge für Schnellprüfungen
DBITS-Modell: Ein selbstständiger Erwerbstätiger, der über einen Zeitraum von drei Jahren ein durchschnittliches zu versteuerndes Einkommen oberhalb des deutschen Bruttodurchschnittsgehalts (aktuell ca. 51.800 €) erzielt, gilt als nicht schutzbedürftig im Sinne einer Statusfeststellung.
BAGSV-Modelle:
Schnellprüfung 1: Freiwillige einkommensabhängige Beiträge des Selbstständigen in die DRV (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) machen eine Statusfeststellung obsolet, sofern die Gesamtsozialversicherungsbeiträge die von vergleichbaren Arbeitnehmern nicht übersteigen.
Schnellprüfung 3: Bei nebenberuflicher Selbstständigkeit, festgestellt durch die zuständige gesetzliche Krankenkasse, ist die soziale Absicherung durch die Hauptanstellung gewährleistet, wodurch keine Versicherungspflicht für die Nebentätigkeit besteht.
Historie der Scheinselbstständigkeit
1999: Einführung eines Kriterienkatalogs zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung.
2003: Streichung des Kriterienkatalogs; Anwendung von Richterrecht.
2008: Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit führt zu vierjähriger Verjährungsfrist und potenziell hohen Nachforderungen.
2015: Übertragung der Prüfung der Künstlersozialabgaben an die DRV.
2017: Einführung des §611a BGB zur Definition des Arbeitsvertrags und Gesamtbetrachtung aller Umstände.
2022: Maßnahmen zur Vereinfachung des SFV, einschließlich Prognoseentscheidung und Gruppenfeststellung.
2022: Herrenberg-Urteil betrifft Musikschulen und andere Bereiche wie Integration und Yoga.
2025: Geplante Evaluierung der SFV-Reformen durch die DRV.
Positionen der Parteien zur Reform des SFV
CDU/CSU: Erkennen die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuregelung des SFV an und betonen die Bedeutung von Rechtssicherheit und unbürokratischen Lösungen.
Bündnis 90/Die Grünen: Setzen sich für eine Reform des SFV ein, um klare und praxisnahe Abgrenzungskriterien zu schaffen und Solo-Selbstständige zu fördern.
SPD: Betont die Notwendigkeit, den Arbeitnehmerstatus einfacher zu klären und die Rechte von Betriebsräten beim Einsatz von Fremdpersonal zu stärken.
FDP: Fordert eine Reform des SFV mit klaren gesetzlichen Positivkriterien und einer Prüfung durch eine unabhängige Stelle anstelle der DRV.
Fazit
Die aktuelle Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit dem Statusfeststellungsverfahren hemmt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und gefährdet Arbeitsplätze, insbesondere im IT-Sektor. Eine zügige und umfassende Reform des SFV ist unerlässlich, um Selbstständigen und Unternehmen die notwendige Rechtssicherheit zu bieten und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Dies ist der fünfte und letzte Teil dieser Artikelserie über den von unserem Mitglied Herrn Freundel verfassten umfangreichen offenen Brief an Herrn Hubertus Heil (Bundesminister für Arbeit und Soziales), an die regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP und an die Oppositionsparteien CDU/CSU sowie Die Linke. In diesem Brief geht es im Wesentlichen um das Thema Scheinselbstständigkeit und die gefährlichen Folgen für die Selbstständigen und für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nach einem daraufhin geführten Fachgespräch mit dem Staatssekretär Dr. Schmachtenberg im Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Herr Freundel einen Lösungsvorschlag an das Büro von Herr Staatssekretär Dr. Schmachtenberg geschickt und daraufhin auch mit Dr. Schmachtenberg telefoniert.
Der Lösungsvorschlag setzt als Prämisse die Einführung einer „Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit“ voraus. Wie bereits im zweiten Teil der Artikelserie erläutert wurde, ist die Sinnhaftigkeit dieser Pflicht ein eigenes, sehr komplexes und kontroverses Thema, das an dieser Stelle nicht weiter erörtert wird. Aber es kommen aus der Regierung/ Politik deutliche Signale, die besagen, dass eine Rentenversicherungs-Pflicht kommen wird. Im Rahmen der Debatte um die Scheinselbstständigkeit hätte eine Rentenversicherungs-Pflicht für Selbstständige auch den großen Vorteil, dass damit zentrale offizielle (oder zumindest inoffizielle) Begründungen für die bestehende Statusfeststellung für Selbstständige entfallen: Altersvorsorge bzw. soziale Absicherung und die noch weitergehende Beteiligung an der Solidargemeinschaft.
Der Lösungsvorschlag basiert auf der Höhe des Einkommens und erreicht mit einem für ein Kalenderjahr gültigem Zertifikat für entsprechende Selbstständige, dass Selbstständige, Auftraggeber, Angestellte, tatsächlich Schutzbedürftige Erwerbstätige und der Wirtschaftsstandort Deutschland ohne zusätzlichen Aufwand profitieren.
Aktuell scheint es so zu sein, dass mit der Einführung einer allgemeinen Rentenversicherungspflicht für Selbstständige nicht (!) automatisch gleichzeitig eine Lösung des Themas Scheinselbstständigkeit kommt. Einerseits kann man dafür ein gewisses Verständnis aufbringen, denn im Koalitionsvertrag[1] der aktuellen Regierung heißt es: „Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen.“ D.h. so wie es aussieht könnte die Rentenversicherungspflicht nur für „neue“ Selbstständige gelten. Bei „neue“ muss man erstmal sehen, wie das genau definiert ist: Z.B. bedeutet „neu“ auch nach einer kurzen Unterbrechung durch eine vorrübergehende Festanstellung/ Arbeitnehmerüberlassung? Aber es wird damit wohl nicht alle Selbstständigen betreffen.
Andererseits wird für das Thema Scheinselbstständigkeit DRINGEND eine Lösung für ALLE Selbstständigen gebraucht, also auch für Selbstständige, die nicht unter die Rentenversicherungspflicht fallen würden. Und so wie in diesem Zusammenhang von Wahlfreiheit und Opt-out gesprochen wird, könnte man den Nachweis über eine geeignete Altersabsicherung auch bei der Lösung der Scheinselbstständigkeit heranziehen.
Ist die Gleichbehandlung aller selbstständigen Erwerbstätigen noch gewährleistet?
Wikipedia zitiert zum Gleichheitssatz im Grundgesetz[2] ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
„Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden.“
Und weiter steht bei Wikipedia: „Bei der schlichten Ungleichbehandlung von Sachverhalten gilt das allgemeine Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Staat darf nicht willkürlich wesentlich Gleiches ungleich beziehungsweise wesentlich Ungleiches gleich behandeln. Es muss hierfür ein Differenzierungskriterium vorliegen. Dieses fehlt nach einer vielfach verwandten Formel der Rechtsprechung, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die staatliche Maßnahme nicht finden lässt.“
Der Autor dieser Artikelserie ist kein Jurist und will sich entsprechend nicht auf „dünnes Eis“ begeben! Aber vor dem obigen Hintergrund erscheint folgendes Beispiel zumindest fragwürdig: Der Besitzer eines Einzelhandels-Ladens oder eines Kiosks hat keine Angestellten, arbeitet an 6 Tagen/ Woche jeden Tag von 8:00 bis 18:00 Uhr 10 Stunden im Laden und kümmert sich dann noch um Abrechnung, Lager und Waren-Einkauf. Am Ende bleibt ein errechneter Stundenlohn (Gewinn) von WEIT UNTER MINDESTLOHN. Trotzdem ist dieser Erwerbstätige unstrittig selbstständig und würde wohl entsprechend niemals mit einem Statusfeststellungsverfahren bzw. Scheinselbstständigkeit in Berührung kommen.
D.h. z.B. Ladenbesitzer dürfen ihrer Wunsch-Erwerbstätigkeit völlig unabhängig von theoretischer Schutzbedürftigkeit nachgehen – ABER bei anderen Selbstständigen wird das bestenfalls pauschal in Frage gestellt, oder sogar ganz verwehrt…! Und dieses Beispiel ist unabhängig von einer Rentenversicherungspflicht: Der Ladenbesitzer ist aktuell auch nicht verpflichtet für die soziale Absicherung vorzusorgen.
Damit bewirken die aktuellen Regeln und Gesetze eine rechtlich und zumindest moralisch mehr als nur fragwürdige Ungleichbehandlung von unterschiedlichen selbstständigen Erwerbstätigen.
Und spätestens mit Einführung einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige entfällt auch dieser „sachlich [vielleicht sogar (Anmerkung des Verfassers dieser Artikelserie)] einleuchtende Grund für die staatliche Maßnahme“.
„Schreckgespenst Statusfeststellungsverfahren“
Einen guten Hinweis auf die Stimmung insbesondere der selbstständigen Wissensarbeiter gibt ein Artikel[3] des Online-Magazins „heise online“ vom 02.07.2024 zum Thema Bürokratie in Bezug auf Mittelstand und Selbstständige in Deutschland. Der entsprechende Absatz ist mit „Schreckgespenst Statusfeststellungsverfahren“ überschrieben und berichtet u.a. über eine Studie des „Institut der deutschen Wirtschaft (IW)“:
„Infolgedessen würden 35 Prozent [der vom IW befragten Selbstständigen (Anmerkung des Verfassers der Artikelserie)] erwägen, ins Ausland zu ziehen, und 27 Prozent würden eine Beendigung ihrer Selbstständigkeit erwägen. Laut IW gelte das sogar für Befragte, die selber noch gar nicht von einem Verfahren betroffen waren – offenbar entfaltet das Statusfeststellungsverfahren eine abschreckende Wirkung. Überdurchschnittlich oft seien es jüngere, gut ausgebildete Selbstständige mit hohen Gewinnen gewesen, die über solche drastischen Schritte nachdächten. Häufig handele es sich um Selbstständige aus dem IT-Bereich.“
Einerseits hat auch die Bundesregierung längst erkannt, dass es in Deutschland einen Mangel an Fachkräften gibt und will sogar ausländische Fachkräfte mit Steuervergünstigungen[4] locken. Aber andererseits nimmt man es offensichtlich einfach so hin, dass ein Drittel der Selbstständigen sogar darüber nachdenkt, Deutschland zu verlassen – und entsprechend ihre Expertise und Tatkraft mitzunehmen…!?
„Die Bundesregierung begreift Bürokratieabbau als Dauer- und Querschnittsaufgabe. Ziel ist es, bürokratische Lasten für die Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltung und die Unternehmen dauerhaft zu reduzieren und damit zugleich Impulse für das Wachstum der Wirtschaft zu setzen.“
Im oben bereits genannten Artikel des Online-Magazins „heise online“ vom 02.07.2024 steht:
„Freiberufler und Selbstständige treibt derweil vor allem eine bürokratische Pflicht um, wie aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht: das Statusfeststellungsverfahren.“
Sinnvolle, klare und nachvollziehbare Regeln und Gesetze im Allgemeinen und hier speziell beim Thema Statusfeststellung/ Scheinselbstständigkeit würden sowohl die Selbstständigen als auch ihre Auftraggeber deutlich entlasten. Und der Staat könnte sich dann auch ohne zusätzlichen Aufwand besser um die tatsächlich schutzbedürftigen Erwerbstätigen kümmern.
Es erscheint schon eigenartig, dass die Regierung „die bürokratischen Lasten“ „dauerhaft reduzieren“ möchte, aber die Einführung neuer Regeln und Gesetze für eine Rentenversicherungspflicht offensichtlich wichtiger sind als die dringend notwendigen effektiven Vereinfachungen und Verbesserungen eines seit vielen Jahren bestehenden Regel- und Gesetzes-Werkes der Scheinselbstständigkeit. Es sieht eher so aus, als zusätzliche Gesetze Vorrang haben vor dem Abbau bestehender Gesetzes-Probleme.
Für die Politik wäre es von Vorteil, beide Themen zu verbinden
Es erscheint sehr ratsam für die Politik, die beiden Themen Rentenversicherungspflicht und Lösung der Scheinselbstständigkeit miteinander zu verbinden bzw. zusammen mit einer Einführung einer Rentenversicherungspflicht auch eine sinnvolle Lösung der Scheinselbstständigkeit einzuführen: Die Politik will den Selbstständigen die Freiheit über die eigene soziale Absicherung nehmen – dann wäre es nur fair und politisch geschickt auch etwas zurück zu geben: Die Freiheit über die eigene Selbstständigkeit!
Selbstverständlich kann man (und bei vernünftiger Umsetzung sollte man auch tatsächlich!) die Rentenversicherungspflicht durchaus als Vorteil für (!) Selbstständige sehen, aber erstmal ist es eine Beschneidung der individuellen Freiheit der Selbstständigen. Mit einer Rentenversicherungspflicht wird es nicht erst relevant, aber aus Gründen der Fairness, des Rechts auf freie Berufswahl und Entfall des wichtigsten Grunds für das Thema Scheinselbstständigkeit scheint es spätestens damit geboten:
Den Selbstständigen muss endlich wieder die freie Entscheidung über ihre eigene Selbstständigkeit gegeben werden!
Der Eindruck des Verfassers dieser Artikelserie ist, dass viele Selbstständige – aber auch ganz allgemein viele Bürger! – der Meinung sind:
Der Staat verhindert nur noch – aber er gestaltet nicht mehr!
Und das ist allgemein für einen Staat und insbesondere für einen Wirtschaftsstandort ein Armutszeugnis.
Der DBITS e.V. bleibt dran und bemüht sich weiterhin für seine Mitglieder und für alle Selbstständigen und den Wirtschaftsstandort Deutschland eine sinnvolle Lösung zu finden und umzusetzen!
Dies ist der vierte dieser Artikelserie über den von unserem Mitglied Herrn Freundel verfassten umfangreichen offenen Brief an Herrn Hubertus Heil (Bundesminister für Arbeit und Soziales), an die regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP und an die Oppositionsparteien CDU/CSU sowie Die Linke. Im ersten Teil wird über den Brief und die Reaktion darauf berichtet, im zweiten Teil über die grundsätzlichen Überlegungen eines daraufhin erarbeiteten Lösungsvorschlags und im dritten Teil über den von Herrn Freundel erarbeiteten Lösungsvorschlag.
Herr Freundel hat seinen Lösungsvorschlag an das Büro von Herr Staatssekretär Dr. Schmachtenberg in Form zweier Präsentationen geschickt: Einmal als ausführliches Dokument mit umfangreichen Erläuterungen zu den Hintergründen, Herausforderungen, bekannten Sichtweisen und dem Lösungsvorschlag; und einmal als deutlich gekürzte Fassung mit nur den wichtigsten Punkten.
Der Lösungsvorschlag setzt als Prämisse die Einführung einer „Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit“ voraus. Wie bereits im zweiten Teil der Artikelserie erläutert wurde, ist die Sinnhaftigkeit dieser Pflicht ein eigenes, sehr komplexes und kontroverses Thema, das an dieser Stelle nicht weiter erörtert wird. Aber es kommen aus der Regierung/ Politik deutliche Signale, die besagen, dass eine Rentenversicherungs-Pflicht kommen wird. Im Rahmen der Debatte um die Scheinselbstständigkeit hätte eine Rentenversicherungs-Pflicht für Selbstständige auch den großen Vorteil, dass damit zentrale offizielle (oder zumindest inoffizielle) Begründungen für die bestehende Statusfeststellung für Selbstständige entfallen: Altersvorsorge bzw. soziale Absicherung und die noch weitergehende Beteiligung an der Solidargemeinschaft.
Der Lösungsvorschlag basiert auf der Höhe des Einkommens und erreicht mit einem für ein Kalenderjahr gültigem Zertifikat für entsprechende Selbstständige, dass:
Selbstständige mit diesem Zertifikat auch für künftige Aufträge sicher vor Scheinselbstständigkeit geschützt sind
Auftraggeber, die sich von dem Selbstständigen das Zertifikat übermitteln/ bestätigen lassen, sicher vor Scheinselbständigkeit geschützt sind
Angestellte sich wie bisher auch gegen ihren Arbeitgeber wehren können, wenn der in einen Selbstständigen umwandeln möchte
Selbstständige, die den Schutz des Staats tatsächlich brauchen, wie bisher auch geschützt werden können – sogar eher besser, weil dafür u.a. bei der Deutschen Rentenversicherung mehr Ressourcen frei werden
Der Wirtschaftsstandort Deutschland ohne zusätzlichen Aufwand profitiert
Allgemeine “Antwort“ zu einkommensbasierten Ansätzen
Bevor hier auf die Antwort von Herrn Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Deutschland Dr. Rolf Schmachtenberg auf den Lösungsvorschlag von Herrn Freundel eingegangen wird, gab es (auch zeitlich) zuerst eine allgemeine „Antwort“ zu einkommensbasierten Ansätzen: Auf der Freelancer-Konferenz „Freelance Unlocked 2024“ (15. und 16.05.2024) hat auch Dr. Schmachtenberg einen Vortrag gehalten und stand danach dem Moderator für Fragen zur Verfügung[1].
Dr. Schmachtenberg:
„[…] das Ringen um klarere Kriterien [„zur Scheinselbstständigkeit“; Anmerkung des Verfassers], da sind wir durchaus in der Diskussion, ob man da was findet, aber bisher ist keinem der Stein der Weisen eingefallen.“
Das wurde auch schon im zweiten Teil dieser Artikelserie ausgeführt: Der „Arbeit“ ist es egal, wer sie ausführt, es ist „ihr“ egal, ob es ein angestellter oder ein selbstständiger Erwerbstätiger macht. Damit ist es zumindest sinnvoll, eigentlich aber sogar geboten, die Unterscheidung zwischen angestellten und selbstständigen Erwerbstätigen ebenfalls von „der Arbeit“ selbst zu lösen – und vielmehr auf das auszurichten, was mit dieser Unterscheidung überhaupt erreicht werden soll. Und spätestens mit der geplanten Einführung einer Rentenversicherungs-Pflicht für Selbstständige bleibt letztlich nur die Schutzbedürftigkeit als Ziel – und damit als Kriterium – übrig.
Dr. Schmachtenberg:
„Also ein gängiger Vorschlag zurzeit ist: ‚Wissensarbeiter mit hohen Einkommen sind Selbstständige.‘ Wer ist genau Wissensarbeiter, wer gehört dazu und wer gehört da nicht dazu?“
Tatsächlich wird insbesondere im Zusammenhang mit einkommensbasierten Lösungsvorschlägen häufig von „selbstständigen Wissensarbeitern“ gesprochen – es gibt in Deutschland übrigens ca. „300.000 freiwillig Selbständige in zukunftsorientierten Bereichen“[2]. Und das erscheint auch logisch, weil es sicherlich hauptsächlich selbstständige Wissensarbeiter sind, die über ein Einkommen verfügen, das sie sicherlich nicht schutzbedürftig sein lässt.
Aber: Mit der Einführung der geplanten/ beschlossenen Rentenversicherungs-Pflicht für Selbstständige bleibt wie mehrfach beschrieben im Wesentlichen die Schutzbedürftigkeit als Argument übrig. Und wenn man dann das zu versteuernde Einkommen (und nicht das Brutto-Einkommen) als Kriterium nimmt, kann man das doch auch auf alle Selbstständigen anwenden. Das zu versteuernde Einkommen hat als Kriterium den Vorteil, dass damit z.B. abhängige Paketfahrer mit „eigenem“ LKW (hohe Abschreibung/ Leasingrate) damit gewollt nicht (!) unter diese Regel fallen.
Dr. Schmachtenberg:
„Und dann hast du mit dieser Einkommensgrenze auch wieder ein Problem, weil, die ist da nicht ständig, da hast du hohe und niedrige Einkommen. Wir prüfen das.“
Selbstverständlich schwanken die Einkommen von Selbstständigen, sei es durch die Auftragslage, sei es durch nicht-in-Rechnung-stellbare Zeiten wie Weiterbildung oder Sabbaticals oder Elternzeit, oder, oder, oder… Aber zum einen: Wenn man die Einkommensgrenze vernünftig und fair ansetzt, kann man über z.B. einen Zeitraum von drei Jahren einen Mittelwert bilden – und wäre häufig immer noch darüber. Außerdem könnte in diesem Fall auch ganz leicht, logisch, fair und pragmatisch nach drei Jahren (oder mehr) oberhalb der Einkommensgrenze für ein Jahr (oder sogar auch zwei Jahre) bei ähnlicher Tätigkeit eine Selbstständigkeit trotzdem akzeptiert werden.
Und zum anderen: Es gibt bereits jetzt schon beim Elterngeld „Ausklammerungstatbestände“ und „Verschiebetatbestände“, die bewirken, dass der für die Berechnungen relevante Zeitraum geändert wird. Es wäre also durchaus keine Neu-Erfindung so etwas analog für die Einkommensgrenze in Bezug auf eine Selbstständigkeit einzuführen.
Eigentlich Zustimmung, aber…
Moderator:
„Wir haben ja die Schutzbedürftigkeit, das ist ja das, was dahinter liegt. Wenn wir jetzt sagen, jemand der ein Regel-Beitrag zahlt in die Rente, dann ist die Person ja offensichtlich nicht schutzbedürftig. Weil wenn ich 650 Euro berappen kann…“
Dr. Schmachtenberg:
„Genau.“
Moderator:
„…und in die Rente mache, habe ich keine Furcht vor der Altersarmut, das ist immer das erste Argument. Das zweite Argument ist, dass die Leute nicht genügend verdienen, das ist auch schon ausgehoben. Das heißt eigentlich wäre doch eine Reform, bei der ein Opt-In auch für die bestehenden Freelancer [möglich; Anmerkung des Verfassers] ist in den Regelbeitrag, ein schönes positiv Kriterium für keine Scheinselbständigkeit.“
Dr. Schmachtenberg daraufhin:
„Ja also wie gesagt, wir haben ja nicht nur Wissensarbeiter und Freelancer und es geht ja gerade bei der Scheinselbstständigkeit auch viel um hier im gewerblichen Bereich allen möglichen Kuddelmuddel an Missbrauch und Schwarzarbeit und so weiter. Das muss man jetzt einfach mal im Gesamtdings sich anschauen. Wir haben im Moment auch eine wunderbare Forderung von den Ärzten, ausgerechnet den Ärzten, die in bestimmten Beschäftigungsformen plötzlich meinen, sie seien unbedingt selbstständig.“
Der Moderator weist also daraufhin, dass mit dem „Regel-Beitrag“ zur Rentenversicherung die Schutzbedürftigkeit als Argument entfällt – und Dr. Schmachtenberg stimmt dem zu: „Genau.“
Eigentlich wäre damit das Thema Scheinselbstständigkeit erledigt: Wer den Regel-Beitrag (nicht den Mindest-Beitrag!) in die Rentenversicherung einbezahlt, hat angemessen für das Alter vorgesorgt – und durch den Nicht-Mindest-Beitrag auch gezeigt, dass er über ein entsprechendes Einkommen verfügt. Und damit sind der Beitrag zur Solidargemeinschaft, die Altersvorsorge und der Entfall der Schutzbedürftigkeit nachgewiesen.
Aber dann geht es doch noch weiter und es werden die Begriffe „Missbrauch“ und „Schwarzarbeit“ und „und so weiter“ in die Diskussion gebracht. Missbrauch ist sicherlich ein Problem, das die Debatten um die Scheinselbstständigkeit wohl von Anfang an begleitet hat. Aber: Was ist denn Missbrauch in diesem Zusammenhang? Auftraggeber sparen sich Sozialabgaben (insbesondere den Anteil an der Rentenversicherung) und ggf. Fürsorge-Pflichten; Auftragnehmer sparen sich die Rentenversicherung – und „profitieren“ dann im Alter als Mittellose von der Solidargemeinschaft. Das alles ist jedoch mit dem Regel-Beitrag des Selbstständigen erledigt. Und das in dieser Einkommenshöhe dann auch die Schutzbedürftigkeit kein Argument ist, wurde ja direkt bestätigt.
Schwarzarbeit als „neues“ Argument gegen Selbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit wird anscheinend tatsächlich „als Sonderform von Schwarzarbeit“ betrachtet[3]. Aber: Wie helfen die aktuellen Regelungen Schwarzarbeit einzudämmen? Und wie würden die vorgeschlagenen Regelungen zur Scheinselbstständigkeit künftig verhindern Schwarzarbeit einzudämmen?
Schwarzarbeit dürfte überwiegend im Bereich niedriger Einkommen stattfinden; und damit würden wohl weder ein einkommensbasierter Lösungsansatz noch ein Regel-Beitrag zur Rentenversicherung für Scheinselbstständigkeit greifen. Diesbezüglich würde es also keine (!) Verschlechterung im Kampf gegen Schwarzarbeit geben.
Verbesserungen beim Thema Scheinselbstständigkeit können bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit helfen!
Verbesserungen beim Thema Scheinselbstständigkeit könnten sogar bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit helfen: Sowohl bei Wikipedia[4] als auch z.B. im „Zwölften Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung“[5] wird der „Abbau bürokratischer Hürden“ als Beitrag/ Instrument im Kampf gegen Schwarzarbeit genannt. Und die aktuellen Regelungen sind in der Realität der Auftraggeber und der Selbstständigen ganz klar deutliche bürokratische Hürden!
Und zusätzlich sei auf einen zumindest logisch erscheinenden, möglichen Faktor für Schwarzarbeit hingewiesen: Wenn allein aufgrund der Regelungen und Gesetze die „offizielle“ Beauftragung eines Selbstständigen nicht möglich oder zumindest unsicher erscheint, dann könnte es von den Beteiligten als Lösung angesehen werden, den Selbstständigen „schwarz“ zu beauftragen – auch wenn sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer eigentlich gerne ein offizielles Vertrags-Verhältnis hätten!
Antwort von Herrn Staatssekretär Dr. Schmachtenberg auf den Lösungsvorschlag von Herrn Freundel
Die vorhergehenden Absätze haben sich mit einer allgemeinen „Antwort“ zum Vorschlag einkommensbasierter Ansätze befasst. Als Reaktion auf den konkreten Lösungsvorschlag mit Zertifikat/ „Fast-Track“ von Herrn Freundel hat Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dr. Schmachtenberg mit Herrn Freundel telefoniert.
Es war wie auch bereits beim Treffen in Berlin ein sehr konstruktives Gespräch. Ohne näher darauf eingehen zu wollen sind einerseits Gemeinsamkeiten, aber andererseits auch Unterschiede erkennbar geworden. Die aktuelle Situation ist für keine Seite gut (auch nicht für die Verwaltung/ den Staat) und mit einer sinnvollen Lösung wäre allen geholfen. Andererseits gibt es bei einkommensbasierten Lösungen aber auch diverse Bedenken. Es sollen mit den Verbänden Gespräche zum Thema Statusfeststellung geführt werden, eine genaue Planung dazu gibt es aber noch nicht. Der DBITS e.V. soll aber wohl auch beteiligt werden – und wird sich auch aktiv darum bemühen.
[1]https://youtu.be/OrFbZ57IleY?si=NYqprEkuo5VDw0s5 Hinweis: Die hier angeführten Zitate aus diesem Video wurden mit Hilfe des automatischen Transskripts manuell nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Es wird fast ausschließlich das gesprochene Wort geschrieben. Für das einfachere Lesen wurden Satzzeichen nach Sinnhaftigkeit eingefügt und an wenigen Stellen den Sinn nicht verändernde Glättungen vorgenommen.
Im ersten Teil dieser Artikelserie wird über einen von unserem Mitglied Herrn Freundel verfassten umfangreichen offenen Brief und die Reaktion darauf berichtet. Herr Freundel hat seinen Brief in unterschiedlichen Fassungen über den DBITS e.V. an Herrn Hubertus Heil (Bundesminister für Arbeit und Soziales), an die regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP und an die Oppositionsparteien CDU/CSU sowie Die Linke geschickt. In zweiten Teil wird über die grundsätzlichen Überlegungen eines daraufhin erarbeiteten Lösungsvorschlags berichtet.
In diesem dritten Teil der Artikelserie wird über den von Herrn Freundel erarbeiteten Lösungsvorschlag berichtet.
Der Lösungsvorschlag basiert auf der Einkommenshöhe
Die hier vorgeschlagene Lösung basiert auf der Höhe des zu versteuernden Einkommens als Positiv-Kriterium:
Aufgrund der Prämisse „Rentenversicherungs-Pflicht“, ist die soziale Absicherung gewährleistet
Liegt das zu versteuernde Einkommen des Erwerbstätigen über einer zu definierenden Grenze, hat der Erwerbstätige die Entscheidung über eine Selbstständigkeit in der eigenen Hand: Er kann sich entscheiden selbstständig zu sein – muss es aber nicht!
Liegt das zu versteuernde Einkommen des Erwerbstätigen unter dieser Grenze, könnten wie bisher die Regelungen der Statusfeststellung angewendet werden
Laut einem Rechtsgutachten[1], das der Arbeits- und Unternehmensrechtsexperte Prof. Dr. Markus Stoffels im Auftrag des Digitalverbands Bitkom erstellt hat bietet sich die „Aufstellung einer Verdienstgrenze“ als Positivkriterium an.
„Allein aufgrund eines besonders hohen Honorars kann demnach eine selbständige Tätigkeit nicht begründet werden. Unter Hinweis auf den Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten hat das Bundessozialgericht vielmehr klargestellt, dass keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne besteht, dass man sich durch Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht „freikaufen“ kann (BSG-Urteil vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R –, USK 2019-34).“
In diesem von der Deutschen Rentenversicherung genannten Urteil[3] ist jedoch noch vorangestellt:
„Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist.“
Mit der Einführung einer allgemeinen Rentenversicherungspflicht kann das zu versteuernde Einkommen bzw. die Honorarhöhe NICHT mehr als „Freikaufen“ von der Sozialversicherungspflicht angesehen werden!
Für die Einkommenshöhe als Positivkriterium gibt es auch Stimmen aus der Politik, z.B.:
B. Loth, Leiterin des Fachforums Arbeitswelt, Tarifpartnerschaft und Integration des Wirtschaftsforums der SPD[4]:
„Für externe Digitalisierungsexperten mit bestimmter Einkommenshöhe könnten Ausnahmetatbestände mit Positivkriterien eingeführt werden. Bei Nachweis einer angemessenen Altersvorsorge wäre das Interesse der Solidargemeinschaft an der Absicherung der Sozialversicherung erfüllt und damit der rechtssichere Einsatz für die Unternehmen ermöglicht.“
Markus Kurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2020, Bundestagsrede)[5]:
„Wenn Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert wären, würde das Problem wesentlich einfacher zu lösen sein. Dann könnten wir zum Beispiel Opt-out-Regelungen machen, wonach Selbstständige mit einem besonders hohen Einkommen sich dafür entscheiden können, auf das Statusfeststellungsverfahren zu verzichten.“
Einkommensbasierter Ansatz mit Zertifikat / “Fast-Track”
Beim einkommensbasierten Ansatz mit Zertifikat/ „Fast-Track“ wird als Kriterium für das vereinfachte Verfahren zur Statusfeststellung das zu versteuernde Einkommen des Selbstständigen verwendet: Übersteigt es ein festgelegtes Minimum (z.B. das x-fache des aktuellen Mindestlohnes auf ein Vollzeit-Arbeitsjahr gerechnet), sind Zertifikat/ „Fast-Track“ möglich.
Der Prozess beim Fast-Track-Verfahren:
Der Selbstständige fragt bei der Clearing-Stelle an
Die Clearing-Stelle prüft anhand der letzten Steuererklärung(en)
Bei positiver Prüfung: Die Clearing-Stelle stellt dem Selbstständigen ein Zertifikat aus (Gültigkeit: Aktuelles Kalenderjahr)
Der Selbstständige (NICHT die Clearing-Stelle!) gibt das Zertifikat an den Auftraggeber
Wenn das Kriterium nicht erfüllt ist bzw. wie bisher bei Verdacht (und das Zertifikat liegt nicht vor) oder auf Antrag, wird das bekannte Statusfeststellungsverfahren durchgeführt. Da ausschließlich ein Erwerbstätiger (à Selbstständiger) das Zertifikat beantragen kann und selbst entscheidet, ob er es weiterleitet, können auch Angestellte mit höherem Einkommen nicht einfach vom Arbeitgeber gegen ihren Willen zu Selbstständigen „gemacht“ werden. Ebenfalls wichtig: Durch das Zertifikat sind Auftraggeber vor „Einklagen“ geschützt.
Auftraggeber:
Wenn ein Unternehmen einen Selbstständigen beauftragen möchte, muss es vom Selbstständigen das Zertifikat (diese Bestätigung) einfordern; bei Vertragsverlängerung muss das Zertifikat jeweils ggf. aktualisiert werden
Wenn ein Erwerbstätiger das Zertifikat nicht (oder nicht mehr) an den Auftraggeber übermittelt, muss der Auftraggeber den Vertrag beenden (ggf. durch eine entsprechende Ausstiegs-Klausel im Vertrag)
Auftragnehmer:
Ein Erwerbstätiger kann (!) diese Bestätigung (das Zertifikat) übermitteln, muss das aber nicht
Ein Erwerbstätiger hat das Recht eine Statusfeststellung (bestehendes Verfahren) zu beantragen
Ein Auftraggeber hat selbstverständlich nicht (!) das Recht diese Bestätigung (das Zertifikat) zu beantragen
Simulation der Negativ-Szenarien mit Fast-Track und Zertifikat
Simulation: Ein Unternehmen möchte Angestellte in die Selbstständigkeit drängen
Das Unternehmen kann gemäß Lösungsansatz nicht (!) das Zertifikat beantragen
Der Angestellte verweigert die Vorlage des Zertifikats (also der „Selbstständigkeits-Bestätigung“)
Der Angestellte kann ein Statusfeststellungsverfahren beantragen
Bei einem Angestellten, der selbst nicht selbstständig sein möchte, dürfte die Status-Entscheidung der Clearing-Stelle klar sein
Der Angestellte ist mindestens so gut wie nach dem aktuellen Stand vor ungewollter Selbstständigkeit geschützt
Dem Unternehmen bleibt natürlich die normale Kündigung – so wie nach aktuellem Stand auch
Simulation: Ein Selbstständiger möchte sich beim Auftraggeber einklagen
Der Auftraggeber kann mit den durchgehenden Zertifikaten (also der „Selbstständigkeits-Bestätigung“) des Auftragnehmers nachweisen, dass kein (!) Angestellten-Verhältnis vorliegt oder vorlag
Ein vom Auftragnehmer beantragtes Statusfeststellungsverfahren wird von der Clearing-Stelle im Sinne des Auftraggebers entschieden
Weitere Anmerkungen zum einkommensbasierten Ansatz mit Fast-Track und Zertifikat
Eine Option ist, nicht das Einkommen, sondern das zu versteuernde Einkommen als Kriterium für zu verwenden: Z.B. abhängige Paketfahrer mit „eigenem“ LKW (hohe Abschreibung/ Leasingrate) fallen damit gewollt nicht unter diese Regel.
Als mögliche Größen für die Einkommensgrenze bieten sich an (jeweils auf das Jahr gerechnet):
Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherungen
Deutsches Durchschnittseinkommen
Vielfaches des Mindestlohnes
Da bei Beginn der Selbstständigkeit normalerweise noch kein entsprechendes Einkommen vorhanden ist, könnte es so geregelt werden, dass der Selbstständige bei Beginn der Selbstständigkeit ein Statusfeststellungsverfahren auf Basis der geplanten Tätigkeit und der zu erwartenden Umsätze beantragt; der festgestellte Status würde für ein Jahr gelten.
Um bei einem einkommensschwachen Jahr nicht aus dem Fast-Track zu fallen, könnte das zu versteuernde Einkommen für die Untergrenze über drei Jahre gemittelt werden. Und wenn die Grenze dennoch unterschritten wird, würde der Selbstständige ein Statusfeststellungsverfahren beantragen: Sinnvollerweise würde dann das Vorliegen von Zertifikaten in vergangenen Jahren bei sonst gleicher Tätigkeit von der Clearing-Stelle als wichtiges Kriterium erachtet werden.
Außerdem gibt es insbesondere bei Erziehungs- und Pflegezeiten bereits in anderen Bereichen (z.B. bei der Berechnung des Elterngeldes) „Verschiebetatbestände“, die den Berechnungszeitraum verschieben können (z.B. wegen Mutterschutz) – ähnliche Regelungen könnten auch beim einkommensbasierten Ansatz mit Fast-Track und Zertifikat angewendet werden.
Der einkommensbasierte Ansatz mit Fast-Track und Zertifikat bietet für ALLE nur Vorteile
Vorteil für Selbstständige:
Legt ein Selbstständiger die Bestätigung vor, ist er für diesen Zeitraum (z.B. ein Jahr) effizient und wirksam vor Scheinselbstständigkeit geschützt
Vorteil für die Wirtschaft/ Auftraggeber:
Wenn die Bestätigung des Auftragnehmers vorliegt, ist der Auftraggeber für diesen Zeitraum (z.B. ein Jahr) effizient und wirksam vor Scheinselbstständigkeit und „Einklagen in das Unternehmen“ geschützt
Vorteil für Angestellte:
Versucht ein Unternehmen einen Angestellten gegen dessen Willen in eine Selbstständigkeit zu drängen, kann der Angestellte sich mit den Regeln der bisherigen Statusfeststellung auf Antrag wehren und schützen
Vorteil für den Staat:
Einfache Abgrenzung von schutzbedürftigen und nicht schutzbedürftigen Erwerbstätigen
Ohne zusätzlichen Aufwand mehr Kapazitäten für den Schutz vor ungewollter Selbstständigkeit
Ohne zusätzliche Kosten wirksame Vereinfachung/ Entbürokratisierung für die Wirtschaft
Was wäre, wenn die Rentenversicherungspflicht erstmal nicht kommen sollte?
Die hier gezeigte Lösung wurde mit der Prämisse beschrieben, dass gleichzeitig auch eine allgemeine Rentenversicherungspflicht auch für Selbstständige eingeführt wird. ABER: Was wäre denn die Einführung dieser allgemeinen Rentenversicherungspflicht erstmal verschoben würde…?
Es wäre trotzdem notwendig und auch richtig, die drängenden Probleme der selbstständigen Wissensarbeiter und der Wirtschaft zu lösen! Die beschriebene Lösung ist trotzdem richtig und auch für den Sozialstaat sehr gut akzeptierbar! Eine Allensbach-Studie[6] zeigt, dass fast alle IT-Freiberufler jetzt schon verantwortungsvoll vorsorgen. Außerdem: Rund 30% der Ausgaben der Rentenversicherung werden aus Steuermitteln finanziert[7] UND insbesondere IT-Selbstständige tragen überproportional zum Steueraufkommen bei[8].
Kurzer Exkurs zu “Schutzbedürftigkeit”
Erst während des Schreibens dieser Artikelserie ist dem Verfasser ein spezieller Aspekt aufgefallen: Was bedeutet eigentlich „Schutzbedürftigkeit“? Im Rahmen des Themas Scheinselbstständigkeit wird regelmäßig mit „Schutzbedürftigkeit“ argumentiert und als einer der zentralen Punkte herangezogen. Erstmal klingt „Schutzbedürftigkeit“ im Zusammenhang mit Erwerbstätigen vollkommen klar: Erwerbstätige müssen ggf. vor ihren Aufraggebern (oder Arbeitgebern) geschützt werden. Aber tatsächlich ginge es wohl eigentlich um „soziale Schutzbedürftigkeit“, d.h. eher darum ob der Erwerbstätige mit seinem Einkommen ein angemessenes Leben führen kann und ausreichend (insbesondere für das Alter) vorsorgen kann.
Und wiederum „aber“: Wenn man weiter zu dem Begriff sucht und auch Aussagen/ Kommentare/ Berichte aus und von der Politik betrachtet, erscheint es doch wieder zumindest auch um eine eher allgemeine „Schutzbedürftigkeit“ zu gehen, z.B.: Ist der Selbstständige seinem Auftraggeber ausgeliefert oder kann er sich bei Bedarf einen anderen Kunden suchen? Kann der Selbstständige angemessene Arbeitszeiten und Erholungspausen gestalten? Kann der Selbstständige allgemeine und spezielle Anforderungen an den Arbeitsschutz durchsetzen? Allgemein formuliert: Wird der Selbstständige korrekt und fair behandelt?
Je weiter man in die Materie der Scheinselbstständigkeit eintaucht, desto mehr treten die Punkte des vorigen Absatzes in den Hintergrund. Aber wenn Politiker, Behörden oder Organisationen sprechen, erscheint es häufig (meistens?) doch so, dass zumindest zu einem gewichtigen Teil dieser Schutz „vor“ dem Auftraggeber (oder auch Arbeitgeber) und allgemein der Schutz im Zusammenhang mit der Arbeit gemeint ist, z.B. die „Fürsorgepflichten“ eines Arbeitgebers gegenüber den Angestellten.
Daraus wiederum folgt, dass bei Lösungen zum Thema Scheinselbstständigkeit auch dieser „inoffizielle“ Punkt beachtet werden muss, weil die Lösung sonst politisch kaum durchsetzbar wäre.
Die Selbstständigen, die Wirtschaft und auch der Sozialstaat brauchen endlich eine vernünftige Lösung!
Der einkommensbasierte Ansatz mit Fast-Track und Zertifikat ermöglicht eine einfache und sinnvolle Abgrenzung zwischen Selbstständigen, die einen besonderen Schutz des Staats benötigen, und Selbstständigen, denen der Staat automatisch zugestehen kann und muss, dass sie selbst für ihre Belange eintreten.
Der einkommensbasierte Ansatz mit Fast-Track und Zertifikat ermöglicht unfreiwillige und ungewollte Selbstständigkeit weiterhin zu prüfen und zu verhindern – und freiwillige und gewollte Selbstständigkeit unbürokratisch und für alle Seiten rechtssicher zu ermöglichen.
Die beschriebene Lösung ist ein Gewinn für alle Selbstständigen UND für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Die beschriebene Lösung ist für alle eine Verbesserung – ohne etwas zu verschlechtern.