Warum Sie Ihr Qualifikationsprofil optimieren sollten
Als ich mich vor vielen Jahren selbständig gemacht hatte, waren mir die Unterschiede zwischen einem Lebenslauf und einem Qualifikationsprofil nicht bewusst. Wohl deshalb hatte ich damals die eine oder andere Durstrecke zu bewältigen. Heute weiß ich, dass ich meinen Wettbewerb um Projekte nicht erst im Fachinterview, sondern bereits im Qualifikationsprofil überhole – in guten wie in schlechten Märkten.
Mein heutiger Interview-Partner Andreas Wenzel ist darauf spezialisiert, mit selbständigen IT-Spezialisten an Positionierungsfragen zu arbeiten und überzeugende Qualifikationsprofile zu schreiben. Ich habe Andreas Wenzel nach den Vorteilen für IT-Freelancer gefragt, ihr Profil im Tandem zu entwickeln.
Welche Vorteile hat ein IT-Selbständiger, wenn er sein Qualifikationsprofil mit Ihnen zusammen optimiert oder von Ihnen optimieren lässt?
Ein auf den Punkt geschriebenes Qualifikationsprofil kürzt Vertriebswege ab und stärkt die Verhandlungsposition. Es holt die richtigen Anfragen, konvertiert schneller und signalisiert dem Verhandlungspartner: „Nimm‘ mich als Experten ernst, und meinen Stundensatz auch.“
Profile, die das können, schüttelt keiner aus dem Ärmel. Ich selbst habe in 20 Jahren IT-Personaldienstleistung über 400 IT-Projekte platziert und traue mich trotzdem erst seit kurzem, die Essenz aus mehreren tausend Profilen an IT-Freelancer weiterzugeben. Diese Erfahrung unterscheidet meine Dienstleistung im Übrigen auch von den immer gleichen „10 Geboten“ oder der zweiten Meinung, die man im Freundeskreis bekommen kann.
Welche Dienstleistung bieten Sie konkret an, um das Profil eines IT-Freelancers zu optimieren.
Meine Dienstleistung umfasst alles, damit ein Recruiter noch im Lesen des Profils zum Telefonhörer greift. Und zwar nicht, um Fragen zu stellen, sondern um den Kandidaten zu „closen“, wie man in den Agenturen sagt. Der Weg dahin ist individuell, beginnt aber immer mit einer kritischen Auseinandersetzung, was genau der Schwerpunkt ist – oder künftig sein soll.
Wobei die Frage nach dem Schwerpunkt eigentlich zu kurz greift. Denn was sagen schon Aufgaben aus, die untereinander in einer Liste stehen. Überzeugend ist doch, was ein IT-Freelancer in seinen Projekten bewirkt. Ich orientiere mich hier ganz gerne an internationalen Profilen, die eine ganz andere Rhetorik haben, ohne allerdings deren Pathos zu kopieren.
Warum Sie Ihr Qualifikationsprofil optimieren sollten
Sie haben es oben schon kurz erwähnt: Wirkt sich die Qualität eines Profils tatsächlich auf den Stundensatz aus?
Wenn Sie einen Stundensatz von 100,- aufrufen, Ihr Profil aber nur nach 50,- aussieht, kann der Markt so heiß sein, wie er will. Sie werden durchgereicht und verlieren mehrere tausend Euro pro Jahr. Wenn Ihr Profil allerdings einen Wunschkandidaten aus Ihnen macht, weil Sie ihr Profil nicht nur als notwendiges Übel, sondern als Arbeitsprobe und Verkaufsprospekt ernst nehmen, dann feiern Sie Abschlüsse am oberen Ende der Skala. Weil Sie den höheren Einstieg begründen können und weil mit Wunschkandidaten vorsichtiger verhandelt wird.
Die Profile von IT-Freelancern geben vor allem technische und fachliche Qualifikationen wieder. Wie sieht es mit den häufig geforderten Softskills aus? Wie können Fähigkeiten wie leichte Auffassungsgabe, diplomatische Fähigkeiten oder die einfache Teamfähigkeit anschaulich dargestellt werden? Geht das überhaupt?
Softskills gehören in Referenz- und Empfehlungsschreiben. Nicht ins Profil. Im Profil geht es um Fakten, nicht um Meinungen. Schon gar nicht um die eigene. Trotzdem kann ich „weiche“ Signale senden, wenn ich z.B. die Firmierung meines Auftraggebers korrekt ausschreibe und linksbündig zuerst nenne. So spreche ich über Kundenorientierung, ohne das Wort in den Mund zu nehmen.
Zielgruppen unterscheiden?
Sollte ein IT-Freelancer einen Unterschied bei seiner Zielgruppe machen? Damit meine ich: Soll ein Profil für eine Agentur anders gestrickt sein als das für ein Systemhaus oder für ein Anwenderunternehmen?
Nein. Denn sein Empfänger ist überall ein Mensch, der eine Personalauswahl treffen will.
Und als Personalentscheider öffne ich Profile mit der Erwartung, Antworten auf exakt fünf Fragen zu bekommen, die immer dieselben sind:
- Wer ist der Freelancer?
- Wie erfahren ist er?
- Was kann er?
- In welchen Unternehmen hat er gearbeitet?
- Was bewirkt er?
Auf diese Fragen will ich bereits beim Überfliegen Ihres Profils eine Antwort bekommen, egal ob ich in einem Systemhaus, in einer Agentur oder in einem Anwenderunternehmen arbeite.
Macht es wirklich keinen Unterschied, ob ein Profil von einem Recruiter, einem Einkäufer oder einem Endkunden gelesen wird?
Nein. Ich halte rollenbasiertes Schreiben im Qualifikationsprofil für überzogen. Wie gut kennen Sie denn ihr Gegenüber? Ich kann Ihnen ebenso viele Projektleiter aufzählen, die Sie mit Einfachheit überzeugen wie IT-Recruiter, die professionelle Tiefe schätzen.
Was ein IT-Freelancer viel mehr berücksichtigen muss: Der erste Leser eines Profils ist oft ein ATS – ein Applicant Tracking System. AT-Systeme beeinflussen Auswahlentscheidungen, indem sie ausrechnen, wie gut ein Profil zu einer Ausschreibung passt. Wenn Informationen aus Ihrem Profil nicht sauber geparst werden, weil Sie alles in Tabellen und Textfelder schreiben und sich keine Gedanken über Ihre Keywords machen, dann haben Sie ein Problem, von dem Sie nichts wissen. Profile schreiben hat also auch etwas mit SEO zu tun.
Deshalb halte ich auch nichts davon, mehrere Profile für unterschiedliche Rollen zu pflegen oder betont vage zu bleiben, um für möglichst viele Anfragen geeignet zu scheinen.
Was sonst noch zu beachten ist
Ist es notwendig, im Profil auf Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit zu achten?
Ich glaube nicht, dass es rechtlich notwendig ist. Denn auch in Werk- und Dienstleistungsverträgen kommt es im Streitfall nicht darauf an, wie man die Dinge nennt, sondern wie sie gelebt werden. Als Profilierungsmerkmal hingegen arbeite ich gerne mit „selbständig“.
Wie wichtig ist es, weitere Unterlagen, etwa Zertifikate oder Referenzen mit dem Profil einzusenden?
Sofern sie die Qualifikation für ein Projekt belegen oder verlangt werden – bitte gesondert mitschicken. Zertifikate, die abgelaufen sind oder vor 10 Jahre alt sind – bitte nicht.
Referenzen sollte man haben, aber nicht ohne Not preisgeben, und falls es sich irgendwie machen lässt, auch nur auf persönliche, selbst gehörte Nachfrage des Endkunden zur Absicherung einer quasi getroffenen Entscheidung. Es gibt leider noch immer viel zu viele Vermittler da draußen, die Referenzgespräche in Verkaufsgespräche drehen.
Zum Abschluss: Was war der schwierigste „Fall“, den sie bisher erlebt haben?
Den gibt es so gar nicht. Jeder Auftrag ist anspruchsvoll, und interessanterweise kommen überwiegend IT-Freelancer zu mir, die bereits ganz ordentliche Profile haben. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, auf den berühmten one sentence elevator pitch zu kommen, Profile um 75% zu kürzen oder aus Stichwortsammlungen Geschichten zu machen.
Herr Wenzel, ich danke Ihnen herzlich für Ihre informativen Antworten.
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Früher hatten nur Verbrecher ein Profil – Die Massenmedien haben den Menschen zu einem „Niemand“ gemacht. Das Internet gab uns eine Identität. Doch mit jedem Klick im Netz erhöhen wir unsere Distanz zu einer Gesellschaft, die noch rational über relevante Themen streiten kann. Woher das kommt, weiß der Philosoph Byung-Chul Han. Hatte das „Amphitheater“ ein Publikum zur Folge, in dem sich die Identität des einzelnen in der Masse auflöste, so wird der „Bewohner des digitalisierten Erdballs“ von einem „Niemand“ zu einem, der ein Profil besitzt, was früher Verbrechern vorbehalten war, schreibt Han.
Ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben, um den Artikel zu lesen und einen Kommentar dazu zu schreiben.
Tatsächlich ist es ja so, dass die Strafverfolger das Profil eines Straftäters erstellen, um diesen „Niemand“ aus der Masse herauszufiltern. Sein Profil wird nicht von ihm selbst erstellt, sondern von jemand Drittem.
Wer hingegen sich seinen Lebensunterhalt als selbständiger Wissensarbeiter verdienen möchte, braucht Auftraggeber, denen seine Leistung ein Honorar wert ist. Um aus der Masse der „Niemande“ hervorzuragen, wird ein Wissensarbeiter selbst ein Profil seiner Kompetenzen erstellen. Er möchte die Kontrolle über sein Profil behalten. Denn es sollte geeignet sein, potenzielle Auftraggeber zu überzeugen.
Gutes Interview!
Ich hatte mir auch schon Gedanbken gemacht über das Thema. In meinem Fall ist es tatsächlich so, dass ich zwei verschiedene Bereiche abdecke (IT-Training und Programmierung). ich glaube, es gibt da eine ganze Reihe von Selbstständigen, die diese ‘Problematik’ haben.
Wie gehen denn andere damit um? Habt Ihr mehrere Profile? Oder eines, was alles zusammenbringt (so wie ich derzeit).
Grüsse aus Hannover
Stefan
Bisher habe ich nur ein Profil. Andererseits hatte ich auch schon überlegt, ob es vielleicht sinnvoll wäre, unterschiedliche Bereiche mit unterschiedlichen Profilen zu “bewerben”. Ich habe mich dagegen entschieden.
Erstens will ich mich als Person vermarkten. Insofern gehören die unterschiedlichen Bereiche, die ich abdecken kann, zu meinem einzigartigen Portfolio. Es zeigt alle meine Facetten.
Zweitens läuft in meinem Marktsegment das meiste über Vermittlungsagenturen. Zwei oder mehr unterschiedliche Profile werden dort in der Regel kaum unterzubringen sein. Das ist zumindest der Stand, der mir berichtet wurde.