Am 9. Mai 2016 fiel der Startschuss für eine weitere großangelegte Kampagne der Allianz für selbständige Wissensarbeit (ADESW). Der DBITS e.V. ist, neben anderen Berufsverbänden, assoziiertes Mitglied der ADESW. Die zweite Kampagne läuft wieder über mehrere Wochen, begleitend zum gesetzgeberischen Verfahren.
Es werden erneut verschiedene Kanäle genutzt, vom Versand von Pledge-Cards, über Briefe an Abgeordnete bis zu Plakataktionen und Zeitungsanzeigen. Zentrale Anlaufstelle ist die Kampagnenwebseite www.experten-arbeit-stärken.de.
Bei dem Entwurf des “Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze” handelt es sich, neben sicherlich gut gemeinten Regulierungen zur Verbesserung der Situation von Arbeitnehmern der Branchen Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung, aber auch um einen Angriff auf die freie Berufsausübung von freiwillig Selbständigen, die keines Schutzes bedürfen. Ob sich die gesetzlichen Änderungen im Umfeld von Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung mittel- und langsfristig tatsächlich positiv auswirken, wird sich zeigen.
Die Arbeit von Hunderttausenden Selbständigen gestaltet sich schon seit längerer Zeit schwierig. Eine unkalkulierbare und nicht mehr zeitgemäße Prüfpraxis der Deutschen Rentenversicherung verunsichert die selbständigen Spezialisten und deren Auftraggeber. Dadurch werden die freien Experten im besten Fall verspätet oder nur verkürzt eingesetzt, oder aber sie verlieren im schlimmsten Fall ganze Aufträge. Wichtige Projekte werden negativ davon beeinflusst. Auch Auftraggeber haben keine Planungssicherheit.
In Politik und Gesellschaft fehlt bisher leider das Verständnis für diese wichtige Gruppe innerhalb der deutschen Wirtschaft – im Gegenteil, die Große Koalition hatte bis vor kurzem sogar weitere Einschränkungen für selbständige Tätigkeiten vorgesehen.
Bei der Entstehung des Koalitionsvertrages im Jahr 2013 hatte man in Deutschland den Eindruck gewonnen, dass es in unserem Land einen nicht unerheblichen Anteil an Missbrauch am Arbeitsmarkt gibt. Dieser Missbrauch würde sich vor allem im Bereich von Zeitarbeit und Werkverträgen abspielen.
Am 16.11.2015 legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Entwurf eines “Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze” vor. Dieser sah unter anderem die Einführung eines neuen §611a BGB mit einem altertümlichen und praxisfremden Kriterienkatalog zur Abgrenzung von Selbständigkeit vor.
Eine Analyse dazu von Rechtsanwältin Stefanie Ebeling finden Sie im entsprechendem Artikel vom 31.01.2016.
Viele Freelancer und deren Kunden interpretierten den Referentenentwurf so, dass die bisher gewohnte und seit Jahrzehnten praktizierte Beauftragung selbständiger Experten zukünftig nicht mehr möglich bzw. künftig illegal sein sollte. Man kam nicht umhin, zu vermuten, dass das BMAS – ob nun aus Kalül, Unkenntnis oder durch Beeinflussung von Dritten – insbesondere der Personaldienstleistungsbranche und damit auch deren Kunden die Zusammenarbeit mit selbständigen Experten bzw. Solo-Selbständigen massiv erschweren wollte. Werkverträge wurden gar nicht mehr tangiert, stattdessen hatte man sich nun plötzlich auf den selbständigen Dienstvertrag konzentriert.
Damit war das BMAS deutlich über das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel hinausgeschossen.
Die Aktivitäten der Politik haben dazu geführt, dass sich die Branche organisiert hat. Was in der Vergangenheit die Schwäche in diesem Umfeld war, nämlich das individuelle Agieren Einzelner, wurde überwunden. Die führenden Personaldienstleister Deutschlands haben sich zusammengeschlossen und bildeten die Allianz für selbstständige Wissensarbeit (ADESW). Aufgrund der traditionell engen Kooperation, und nicht zuletzt wegen der unmittelbaren Betroffenheit, gehören der ADESW auch die Berufsverbände einzelner Gruppen der hochqualizierten Wissensarbeiter als assoziierte Partner an.
Über die ADESW ist es möglich, gemeinsam der Politik auf Augenhöhe zu begegnen und an einem sinnvollen und zukunftsfähigen Gesetz aktiv mitzuwirken. Über die Plattform der ADESW besteht eine gute Vernetzung im politischen Berlin. Es bestehen enge Kontakte sowohl zu den zuständigen Ministerien, dem Kanzleramt sowie dem zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages.
Schon wenige Tage nach Beginn der Kampagne EXPERTEN-ARBEIT-RETTEN sah sich das BMAS gezwungen seinen 1. veröffenlichten Entwurf des §611a BGB zu modifizieren. Das Ergebis war ein sowohl mißglückter als auch überflüssiger Versuch den Arbeitnehmerbegriff “neu” zu definieren.
Alle Verhandlungen, die seit Ende Februar stattgefunden haben beziehen sich vorrangig auf den Themenkomplex “Leiharbeit”. Details finden Sie hier.
Nun stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus der Initiative des BMAS für die Arbeit der selbständigen Experten entstanden sind.
Theoretisch zunächst keine. Stand heute sind wir „nur“ zurück am Ausgangspunkt. Also in der selben Situation, in der wir uns bereits seit den 1990-iger Jahren befinden. Praktisch haben sich jedoch eine Reihe negative Entwicklungen ergeben. Die Verunsicherung des Marktes ging tief und wirkt immer noch nach. Es wurden Begehrlichkeiten geweckt. Als einer von vielen Effekten sei die sprunghaft angestiegene Zahl der Statusprüfverfahren der DRV und negativen Bescheide zu nennen.
Zudem haben die Gewerkschaften wieder ein offenes Ohr in der Politik gefunden und nutzen die Gelegenheit zur Auffrischung ihrer Daseinsberechtigung. Und gerade die Gewerkschaften drängen ständig auf Nachbesserungen der Gesetze, nicht etwa auf Anwendung der bestehenden. Eine zukunftsfähige moderne und arbeitsteilige Volkswirtschaft steht dabei nicht im Vordergrund. Das Schicksal von mehr als 100.000 selbständigen Experten in der IT und die daraus resultieren Folgen werden besten Falls als Kollateralschaden betrachtet.
Wir benötigen daher eindeutig Rechts- und Planungssicherheit für die Gruppe der hochqualifizierten Selbständigen und deren Auftraggeber.