Neue Wege zum Projekt?
Große internationale Unternehmen beauftragen selbständige Wissensarbeiter überwiegend über Personalagenturen. Sie bevorzugen sogenannte Managed Service Provider, die ihrer Einkaufsabteilung so weit möglich die Arbeit abnehmen. Vor allem große Personalvermittlungsagenturen haben sich große Teile dieses Marktes gesichert. IT-Freiberufler haben meist keine andere Wahl, als über Vermittlungsagenturen in Projekte zu kommen. Doch seit kurzem geht das international erfolgreiche Unternehmen Bosch einen anderen Weg.
Rechtsunsicherheit und Arbeitnehmerüberlassung
Die deutsche Gesetzeslage macht es den Unternehmen schwer, rechtssichere Verträge mit freien Mitarbeitern abzuschließen. Außerdem laufen sie Gefahr, hohen Nachzahlungen an die DRV zahlen zu müssen, sollte ein IT-Freelancer als scheinselbständig eingestuft werden. Eine Personalagentur als Puffer dazwischen zu haben, schien bisher wenigstens das Risiko etwas zu vermindern. Trotzdem neigen gerade große Unternehmen immer mehr zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die Personalagenturen versuchen die Arbeitnehmerüberlassung zu entschärfen, indem sie den Freiberuflern möglichst hohe Gehälter zahlen. Manchmal ist die Rede vom Schweizer Modell. Dies gilt es in einem eigenen Artikel zu betrachten, da es an dieser Stelle “den Rahmen sprengen” würde. Das Modell der Arbeitnehmerüberlassung ist eine Krücke, die langfristig die Beauftragung selbständiger Spezialisten nicht ersetzen kann.
IT-Freelancer wollen vom Kunden direkt beauftragt werden
Wer als selbständiger IT-Profi etwas auf sich hält, wird sich kaum auf das Arbeitnehmerüberlassungsmodell einlassen. In Arbeitnehmerüberlassung zu arbeiten birgt eigene Risiken. Denn die Rückkehr vom Arbeitnehmerstatus in die Selbständigkeit wird insbesondere von der Deutschen Rentenversicherung argwöhnisch betrachtet.
Es passt nicht ins vorgefertigte Bild der DRV, dass jemand aus einer Anstellung in die Selbständigkeit wechselt. Die Chance, sich damit ein Statusfeststellungsverfahren einzuhandeln, steigt. Über die teilweise an den Haaren herbeigezogene Argumentation der DRV informiert dieser Artikel: “Kolumne: Gesetzesauslegung der DRV – Phantasie oder Verzweiflung?”.
Rechtsunsicherheit begünstigt den Fachkräftemangel
Diese Situation wird von vielen Seiten seit Jahren bemängelt. Die Politik scheint nicht dazu willens oder in der Lage, sich in Punkto freier Mitarbeit für zukunftsweisende Gesetzesänderungen durchringen zu können. Der Druck seitens der Unternehmen blieb meistens verhalten. Sie wollen sich vor allem vor dem Vorwurf schützen, sie beschäftigten Scheinselbständige. Insofern fügten sie sich den Vorgaben der Politik.
Vielleicht war das ein guter und gangbarer Weg, solange die eigenen Ideen fehlten, wie man kreativ mit dieser Situation umgehen kann. Inzwischen scheint der Druck immer weniger zu ertragen zu sein, der durch den Mangel an qualifiziertem Personal entstanden ist.
Neue Wege zum Projekt
Die Firma Bosch reagiert nun mit einem eigenem Portal für Freelancer. Auf der Startseite heißt es: “Wir verbinden Freelance Superstars mit der Bosch Welt.” Damit legen sie klar fest: Sie wollen die besten Fachkräfte aus dem Markt fischen.
Wenn dieses Modell erfolgreich ist, werden andere Unternehmen nachziehen. Denn für Freelancer ist dieses Modell der direkten Beauftragung attraktiver als ein Vertrag über eine Vermittlungsagentur. Wenn Bosch mit diesem Portal tatsächlich die besten und geeignetsten Freelancer zu sich an Bord holt, stehen die anderen großen Unternehmen unter Zugzwang. Wer will denn schon mit der zweiten Wahl vorlieb nehmen müssen.
Freelance-Superstars?
Es wird eine Weile dauern, bis sich zeigt, wie erfolgreich das Portal wird. Viele Freelancer sind derzeit unter Vertrag. Diese Verträge werden nach und nach auslaufen. Und wenn die von Bosch angebotenen Konditionen besser sind als die marktüblichen, werden in einigen Fällen vermutlich auch Vertragsverlängerungen ausgeschlagen.
Bosch schreibt im Freelancer-Portal “The Connectory | Freelancer Network” von “Freelance-Superstars”. Ich verstehe das als deutlichen Hinweis auf die gehobenen Ansprüche von Bosch. Ein überzeugendes Profil ist daher Pflicht ein immens wichtiger Baustein. Lesen Sie dazu auch unser Interview: “Warum Sie Ihr Qualifikationsprofil optimieren sollten”.
Eine spannende Entwicklung
Es versteht sich von selbst, dass wir diese Entwicklung genau beobachten. Das Portal wird getestet und wir werden davon berichten. Außerdem werden wir unser Auge verstärkt auf die bereits bestehenden Portale richten. Der Schritt, den Bosch gegangen ist, könnte auch die Landschaft der Vermittlungsportale verändern. Zumindest die speziell für IT-Freelancer gedachten Portale.
Inzwischen hat auch LinkedIn in Deutschland ein Vermittlungsportal für Freelancer aufgebaut. Es ist allerdings kein spezifisches IT-Freelancer-Portal. Näheres dazu beschreibt Ralph Scholze in seinem Artikel: “LinkedIn Marketplace für Freelancer”. Der Markt ist wieder in Bewegung. Hoffen wir, dass es für uns IT-Freelancer in die richtige Richtung geht.
Vielen Dank für die Verlinkung zu meinem Artikel “LinkedIn Marketplace für Freelancer”. Dieses Thema finde ich selbst sehr interessant. Persönlich bin ich neugierig wie die weitere Entwicklung solcher Freelancer-Plattformen vorankommt.
Ralph