Die Anstrengungen haben sich gelohnt! Die neue Gesetzgebung zur Regelung von Zeitarbeit und Dienst- und Werkverträgen, welche am 01. April 2017 in Kraft tritt, soll das Projektgeschäft – und damit den Einsatz von externen IT-Experten, hochqualifizierte Unternehmensberater und Interimsmanager – nicht einschränken!
Die in den vergangenen Monaten deutlich spürbare Verunsicherung – insbesondere durch den ersten Gesetzesentwurf aus dem November 2015, ausgelöst – ist nicht mehr begründet. Grund dafür ist die eindeutige Feststellung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dass die neuen Arbeitsmarktgesetzte keinen Schaden in der Projektwirtschaft auslösen dürfen. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses heißt es hierzu:
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[…] Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen. Dabei solle zum Beispiel eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber letzterem begründen (vgl. Bundesarbeitsgericht, 11.08.2015 – 9 AZR 98/14). Vielmehr solle nach dem Verständnis der Ausschussmehrheit entsprechend der bisherigen Praxis eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, ob unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers erfolge. […]
Dies ist “eine gute Nachricht für die Betroffenen – aber auch für die deutsche Wirtschaft”, findet auch Professor Martin Henssler, Rechtswissenschaftler der Universität zu Köln und merkt an.: “Die Politik hat verstanden, dass ein Gesetz auch Marktrealität abbilden muss.”
Dennoch bleibt auch nach Verabschiedung des neuen Gesetzes noch viel zu tun. Trotz des klaren und eindeutigen Bekenntnisses des Gesetzgebers zum Projektgeschäft kodifiziert der neue § 611a BGB lediglich den derzeitigen Status Quo, indem er die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre nun in einem Gesetz manifestiert.
Ziel muss es daher jetzt sein – anknüpfend an das Bekenntnis der Politik – weiterhin für mehr Planungs- und Rechtssicherheit der Solo-Selbständigen zu kämpfen. Nach wie vor steht die Einzelfallprüfung der DRV im Raum und Rechtssicherheit anhand konkreter, einfach zu prüfender Positivkriterien durch die eindeutig definiert ist, wer ein echter Solo-Selbständiger ist und wer nicht, ist nicht gegeben. Verstößt ein Solo-Selbständiger also gegen die Prinzipien des selbständigen Auftretens, läuft er nach wie vor Gefahr im Zuge einer DRV-Prüfung als Scheinselbständiger eingestuft zu werden.
Dennoch verdient der erreichte Konsens im politischen Berlin sehr hohe Anerkennung. Die Politik hat begriffen, dass das Projektgeschäft und der Einsatz von hochqualifizierten Experten eine wichtige Komponente für die Aufrechterhaltung bzw. Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist und dass eine Arbeitsmarktregulierung einer Differenzierung zwischen den beteiligten Gruppen bedarf. Das ist neu und außerordentlich wichtig für die weiteren Schritte zum Erreichen von rechtssicheren Voraussetzungen für die Solo-Selbständigkeit!
Vergleichen wir das Verständnis der Politik für unsere Branche, wie es noch im Jahre 2015 nahezu durchgängig anzutreffen war mit der heutigen Situation, kommen wir nicht umhin festzustellen, dass (sehr) viel erreicht wurde.
Demokratie basiert auf dem Eingehen von Kompromissen. Das neue Gesetz zur Regulierung des Arbeitsmarktes wurde im Wesentlichen mit Blick auf die selbständig Tätigen geschaffen, die durch die vielerorts missbräuchlich gelebte Praxis stark benachteiligt wurden und insbesondere in Hinblick auf ihre Einkünfte, nicht in der Lage waren, als Selbständige zu angemessenen Bedingungen auf dem Markt zu bestehen. Bisher schien es so, als sollen die Freiberufler ebenfalls mitreguliert oder aber Kollateralschäden zumindest in Kauf genommen werden. Jetzt wurde zum ersten Mal schriftlich festgehalten, dass es tatsächlich um die prekären Werkvertragskonstrukte geht. Dieser wichtige (Teil-)Erfolg muss nun weiter in der Förderung eines differenzierten Verständnisses der heterogenen Gruppe der Selbständigen und zu der Förderung von Rechtssicherheit führen.
Ende 2015 stand das Geschäftsmodell vieler selbständiger IT-Experten quasi vor dem Aus. Die vorgesehenen Gesetze, insbesondere der Negativ-Kriterienkatalog des §611a BGB, kamen einem Berufsverbot gleich. Es kann behauptet werden, dass Politik und Gewerkschaften jeden Solo-Selbständigen als sozialen Härtefall betrachtet oder zumindest, Ihren Zwecken dienlich, entsprechend dargestellt haben.
Der Spagat zwischen den steigenden Anforderungen des globalisierten Marktes nach Flexibilität, Mobilität und Innovation auf der einen Seite und der rückwärtsgerichteten Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“, in der es Arbeitgeber und Regierung gab, die die Geschicke der Arbeitnehmerschaft lenkten und in der die Gewerkschaften als Vermittler zwischen diesen Gruppen ihre Daseinsberechtigung hatten, auf der anderen Seite – ist unmöglich zu bewerkstelligen und demzufolge auch nicht gelungen. Immerhin können wir aber feststellen, dass die Politik durch den gemeinsamen Einsatz von Verbänden wie dem DBITS , der DDIM, der ADESW und vielen anderen gelernt hat, dass es sich bei den selbständigen (IT-)Experten nicht um die zuvor genannte schutzbedürftige Gruppe von Selbständigen handelt. Im Hinblick auf eine rechtsichere Marktsituation ist diese differenzierte Sichtweise unbedingt weiter zu verstärken.
§ 611a BGB, Fassung vom 19.10.2016
Arbeitsvertrag
(1) den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Scheinselbständigkeit
Stellungnahme des Ausschusses für Arbeit und Soziales
Bundestags-Drucksache Nr. 18/10064
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In Verbindung mit den Diskussionen der vergangenen Monate haben sich auch positive Aspekte in der Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und selbständigen Experten entwickelt.
Das Bewusstsein und die Fokussierung auf den eigenen Status vieler Selbständiger wurden geschärft. Die selbständigen IT-Experten und deren Auftraggeber gehen oft deutlich zielgerichteter miteinander um, als es in den Jahren davor der Fall war. Die gemeinsame Arbeit an einem gemeinsamen Ziel ist häufig etwas distanzierter, gleichzeitiger aber auch intensiver geworden, was zur Folge hat, dass die Expertise des IT-Experten, der explizit für die Lösung einer speziellen Aufgabe hinzugezogen wurde, einen höheren Stellenwert erhalten hat.
Die Selbständigen Experten ihrerseits haben Reflexionen hinsichtlich ihres Status und Wertes auf dem deutschen Arbeitsmarkt angestellt und für sich selbst neue Perspektiven entdeckt. Diese hatten bei einigen zur Folge, dass sie sich fachlich spezialisiert, mehr dem internationalen Markt zugewendet haben oder aber zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Festanstellung für sie persönlich die bessere Option sei.
Die selbständigen IT-Experten sollten auf jeden Fall fortfahren, ihre Arbeit für und bei ihren Kunden gemäß ihrem Status klar definiert auszuüben. In diesem Zusammenhang hat das Fact Sheet für IT-Selbständige, für unsere Mitglieder in unserem Mitgliederbereich zu finden, nach wie vor Bedeutung und sollte immer wieder herangezogen werden.
Das Ziel endgültiger Rechtssicherheit, ohne ggf. eine aufwendige DRV-Prüfung des Einzelfalles durchlaufen zu müssen, darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden. Denn trotz der Zugeständnisse in Bezug auf das Projektgeschäft handelt es sich bei den ab April 2017 gültigen Gesetzen zur Regulierung des Arbeitsmarktes bei Weitem nicht um einen Freibrief für die Solo-Selbständigkeit. Mit Unterstützung aus den Reihen des Ausschusses für Arbeit und Sozialen, beispielsweise von Albert Stegemann (CDU/CSU) ist zu rechnen. Jedenfalls wird für alle Beteiligte, sowohl für die Auftraggeber als auch die Selbständigen, ab jetzt wieder ein klares und eher unbelastetes Vertragsverhältnis, befreit von der Angst, mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten, möglich sein.
*Wo kein Missbrauch entsteht, braucht es kein Eingreifen des Staates – Zitat von Carlos Frischmuth – http://www.computerwoche.de/a/neue-arbeitsmarkt-gesetze-betreffen-it-freiberufler-nicht,3325845